Stu­die B: Ham­bur­ger-Unter­kie­fer­pro­tru­si­ons­schie­ne (H‑UPS®) – eine Risi­ko­ana­ly­se über mög­li­che orth­odon­ti­sche Nebeneffekte

Schlie­per J, et al., 2002

Ein­lei­tung
Unter­kie­fer­pro­tru­si­ons­schie­nen wer­den in der Behand­lung der pri­mä­ren Rhon­cho­pa­thie und des leich­ten- bis mit­tel­gra­di­gen obstruk­ti­ven Schlaf-Apnoe-Syn­droms (OSAS) all­ge­mein ange­wandt und akzep­tiert (1,2,3,4,5). Durch die Redu­zie­rung der Kunst­stoff­schie­nen­an­tei­le auf die seit­li­chen Stütz­zo­nen (Mola­ren und Prä­mo­la­ren) mit fron­ta­len Ver­bin­dungs­ele­men­ten aus Stahl konn­te das Volu­men der H‑UPS® im Ver­gleich zu ande­ren Schie­nen deut­lich redu­ziert und die Sta­bi­li­tät der Schie­ne erhöht wer­den (6). Auf­grund gewis­ser Ähn­lich­keit mit funk­ti­ons­kie­fer­or­tho­pä­di­schen Appa­ra­tu­ren (7), die eben­falls den Unter­kie­fer pro­tru­die­ren, kommt die Fra­ge nach mög­li­chen uner­wünsch­ten orth­odon­ti­schen Neben­wir­kun­gen auf. Der­ar­ti­ge kie­fer­or­tho­pä­di­sche Appa­ra­tu­ren füh­ren im Wech­sel­ge­biss in Abhän­gig­keit von der Unter­kie­fer­pro­tru­si­on zu Zahn­fehl­stel­lun­gen (8). Die Unter­su­chung nimmt sich der Fra­ge an, ob dies auch für die Anwen­dung der H‑UPS® im aus­ge­wach­se­nen Kie­fer mit einer über die Nacht hin­weg ver­gleichs­wei­se gerin­gen Tra­ge­zeit zutref­fen könnte.

Mate­ri­al und Methode
Von 126 Pati­en­ten, die tele­fo­nisch befragt wer­den konn­ten, waren bis jetzt 21 modell­ana­ly­tisch aus­wert­bar. Bei allen 126 Pati­en­ten bestand ein unauf­fäl­li­ger Kie­fer­ge­lenk und par­odon­ta­ler Aus­gangs­be­fund mit intak­ten okklu­sa­len Ver­hält­nis­sen. Bei ein­ge­setz­ter H‑UPS® betrug der Unter­kie­fer­vor­schub 4 bis 6 mm und die Mund­öff­nung 6 bis 9 mm. Fol­gen­de Mes­sun­gen wur­den modell­ana­ly­tisch vorgenommen:

  1. Sagit­ta­le Mes­sun­gen im a) Front­be­reich (Over­bi­te) und b) Mola­ren­be­reich (Mola­re Relation),
  2. Mes­sun­gen des Over­jets (ver­ti­ka­le Veränderung),
  3. Mes­sun­gen in der trans­ver­sa­len Brei­te zwi­schen den a) ers­ten Mola­ren, b) ers­ten Prä­mo­la­ren und c) Eckzähnen,
    Zunächst wur­de die Stan­dard­ab­wei­chung (SD) nach 100 Wie­der­ho­lungs­mes­sun­gen an einem Modell errech­net. Die Mes­sun­gen in den drei Ebe­nen wur­den am Aus­gang­mo­dell und Fol­ge­mo­dell drei­mal wie­der­holt und der Mit­tel­wert errech­net. Befragt wur­den die Patienten
    nach der Tra­ge­dau­er und auf­ge­tre­ten­der Okklusionsstörungen.

Ergeb­nis­se

Alter, Geschlecht, RDI, Untersuchungszeitraum
Das durch­schnitt­li­che Alter der 126 Pati­en­ten (105 Män­ner, 21 Frau­en) lag bei 56,5 Jah­ren (ran­ge 25 – 76, SD 11,08). Der RDI lag zu Beginn der The­ra­pie bei durch­schnitt­lich 24 (<20: n=49%, 20<40: n=36%, >40: n=15%). Der Zeit­raum zwi­schen Beginn der The­ra­pie mit der H‑UPS® und der Nach­un­ter­su­chung betrug durch­schnitt­lich 2,39 Jah­re (ran­ge 0,6 – 4,5, SD 1,17).

Tra­ge­dau­er
Alle 21 Pati­en­ten tra­gen die Schie­ne durch­weg jede Nacht. 12 von den tele­fo­nisch befrag­ten 111 Pati­en­ten tra­gen die Schie­ne nicht mehr. Als Grün­de wur­den zu gerin­ger the­ra­peu­ti­scher Effekt oder zu gerin­ger Tra­ge­kom­fort ange­ge­ben. Die übri­gen 99 Pati­en­ten tra­gen die H‑UPS® regel­mäs­sig jede Nacht durch­ge­hend. Die Com­pli­ance beträgt damit 90%.

Orth­odon­ti­sche Veränderungen
Sub­jek­ti­ve okklu­sa­le Ver­än­de­run­gen wur­den nicht ange­ge­ben. Die Stan­dart­ab­wei­chung bei den 100 Wie­der­ho­lungs­mes­sun­gen an einem Modell lag bei 0,31 mm (ran­ge 0,1–0,8). Die SD der Mess­wert­dif­fe­ren­zen zwi­schen Aus­gang- und Fol­ge­mo­del­len der 21 Pati­en­ten lag inner­halb der Mess­ab­wei­chun­gen, die bei den 100 Wie­der­ho­lungs­mes­sun­gen an einem Modell auf­tra­ten. Das durch­schnitt­li­che Alter der 21 Pati­en­ten lag bei 52,3 Jah­ren (ran­ge 25 – 68, SD 12,34), die durch­schnitt­li­che Zeit zwi­schen Abdruck­nah­me für das Aus­gang- und Fol­ge­mo­dell bei 14,5 Mona­te (ran­ge 6–31, SD 7,53).

Dis­kus­si­on
Die Ergeb­nis­se der Unter­su­chung geben kei­ner­lei Hin­weis auf einen orth­odon­ti­schen Effekt der H‑UPS®. Die Lite­ra­tur gibt bezüg­lich ande­rer Schie­nen­ty­pen hier­über wenig Aus­kunft, lässt aber einen orth­odon­ti­schen Effekt erken­nen (9,10). Die­ser ist jedoch nur in Aus­nah­me­fäl­len kli­nisch rele­vant (9). Die hier mit­tels Modell­ana­ly­se nach­un­ter­such­te Pati­en­ten­zahl (n=21) ist im Ver­hält­niss zur Gesammt­grup­pe (n=126) rela­tiv klein, lässt sich aber durch die hohe Pati­en­ten­zu­frie­den­heit, z. T. wei­ter Anrei­se­we­ge und nicht ver­wert­ba­rer Model­le erklä­ren. Die Aus­sa­ge­kräf­tig­keit der Modell­ana­ly­sen wird aber durch die Ergeb­nis­se der Pati­en­ten­be­fra­gung gestützt, die kei­nen Hin­weis auf eine kli­nisch rele­van­te oth­odon­ti­sche Ver­än­de­rung gibt. Zu beden­ken ist die stren­ge Pati­en­ten­aus­wahl vor der Ein­glie­de­rung der H‑UPS®, die dem Auf­tre­ten orth­odon­ti­scher Effek­te ent­ge­gen­wir­ken dürf­te (11). Die Com­pli­ance der H‑UPS® ist mit 90% im Ver­gleich zu den Lite­ra­tur­an­ga­ben ande­rer Schie­nen­ty­pen sehr hoch (4,12) und über­trifft bei wei­tem die der nCPAP The­ra­pie (13,14).